Istanbul 2010 - Europäische Kulturhauptstadt
Unser Choraustausch mit der Sir-Karl-Popper-Schule und dem Wiedner Gymnasium in Wien
Die ganze Chorgruppe war unheimlich glücklich zu hören, dass wir nach dem ersten Carmina-Burana-Konzert im vergangenen Schuljahr die Erlaubnis bekamen, mit einem anderen Schulchor aus Wien ein gemeinsames Projekt zu beginnen. Die Entscheidung war getroffen, wir Schüler aus Istanbul haben uns mit den Wiener Schülern in Verbindung gesetzt und ein jeder hat sich eine Gastfamilie für die Wien-Reise gefunden. Wir hatten ordentlich geübt und endlich ging es los: Die letze Schulwoche im ersten Semester würden wir in Wien verbringen.
Der gesamte Chor traf sich am Sonntag mit Frau Dokalik und Herrn Pöschl am Atatürk-Flughafen. Wir nahmen einen kurzen Abschied von unseren Eltern und machten uns auf den Weg zu unsrem Flugzeug. Alle waren voller Energie und freuten sich auf die Reise. Am Abend kamen wir am Flughafen Wien-Schwechat an. Wir packten unsere Koffer und gingen zum Ausgang. Sobald die Tür aufging erschallte lauter Jubel. Und dazwischen konnte man laute Hoşgeldiniz-Rufe hören. Manche der Wiener Schüler hatten ein Blatt in der Hand. Sie hatten sich in eine Reihe gestellt und zusammen ergaben die einzelnen Buchstaben auf den Blättern ebenfalls „Hoşgeldiniz!“ So ein netter Empfang - so eine lockere Stimmung! Nun versuchte jeder seinen Austauschschüler fündig zu machen. Sobald man seinen Partner oder seine Partnerin gefunden hatte, ging es los nach Hause. Der Abend war nicht mehr lange, und wir waren alle erschöpft. Dieser Abend diente dem Kennenlernen der ganzen Familie. Also hatten wir ein nettes Abendessen in den Wohnungen unserer Austauschschüler und konnten uns für den nächsten Tag vorbereiten.
Am nächsten Morgen fingen die Proben an. Wir versammelten uns in der Schule und das Einsingen begann. Insgesamt waren wir eine Gruppe von etwa achtzig Schülern. Es war schwierig, auf der eher kleinen Bühne des Theatersaals Platz zu finden. Trotzdem fand jeder eine Stelle, von der aus er Herrn Mair sehen konnte. Herr Mair ist jetzt Musiklehrer an dieser Schule. Er war aber auch schon einige Jahre Lehrer am St.Georgs-Kolleg in Istanbul. Zusammen mit Frau Labschütz, der Chorleiterin, waren sie die zwei Wiener Projektleiter. Es vergingen viele Stunden mit intensiver Probenarbeit. Sehr anstrengend - auch körperlich!
Der Nachmittag war frei, und wir konnten etwas Kulturelles unternehmen. Also fuhren wir zusammen mit Herrn Pöschl und Frau Dokalik zum Stephansdom. Dort teilten wir uns in kleinere Gruppen und konnten selbst entscheiden, wo wir essen oder trinken wollten. Manche wollten etwas shoppen und manche nur herumlaufen. Nach dem frei gestalteten Nachmittag trafen sich die Gruppen wieder vor dem Stephansdom und wir fuhren gemeinsam zurück zur Schule. Die Austauschschüler hatten am Nachmittag Unterricht und konnten uns deshalb nicht begleiten. Wir hatten aber trotzdem einen sehr netten Nachmittag.
Der Montagabend war frei um etwas zu unternehmen. Obwohl manche nach Hause mussten, weil sie weit außerhalb der Stadt wohnten, konnten andere noch auf der Mariahilfer-Straße bummeln oder in einem traditionellen österreichischen Restaurant essen.
Der Dienstag begann wieder mit Proben. Da unsere erste Aufführung an diesem Abend stattfinden sollte, mussten wir noch mehr üben. Die Soprane übten mit Frau Dokalik in einem Musikraum, der Alt verbesserte sich mit Frau Labschütz und der Tenor und der Bass arbeiteten mit Herrn Mair. Zum Schluss hatten wir noch eine Generalprobe. Der Nachmittag war frei, und es bildeten sich wieder kleine Gruppen. Wir machten einen netten Spaziergang durch den grünen Prater. Es war sehr schön, bei so traumhaftem Wetter draußen zu sein und Spaß zu haben.
Als es am Abend so weit war und die Zuschauer in der Schule eintrafen, füllte sich der kleine Saal und die Spannung stieg. Erst als wir auf die Bühne traten bemerkten wir, dass der Raum so sehr gefüllt war, dass manche sogar auf dem Boden hockend warteten. Unter der Leitung von Herrn Mair und Frau Labschütz begann unser Konzert. Wir waren gut - und der laute Applaus der Zuschauer bestätigte das.
Nun war es Zeit zu feiern! Wir gingen fast alle gemeinsam in ein Lokal, in dem nette Musik spielte und man etwas trinken konnte. Nach den anstrengenden Proben und dem erfolgreichen Konzert hatten wir uns diese Entspannung verdient.
Mittwoch waren eigentlich wieder Proben angesagt, doch alle - auch unsere Lehrer - hatten eingestimmt, den Tag etwas anders zu gestalten. So kam es dazu, dass wir einen amerikanischen Country-Music-Song einstudierten. Das war schön! Alle sangen mit und hatten riesigen Spaß. Nachmittag waren Museumsbesuche angesagt. Wir besuchten das Haus der Musik. Dort konnte man sogar die Wiener Philharmoniker dirigieren, indem man einen elektronischen Dirigierstab im richtigen Rhythmus bewegte und die auf einen Bildschirm projizierten Musiker leiten konnte. Dies war mein persönliches Highlight im Haus der Musik.
Onur und ich schafften es auch noch zum Naturhistorischen Museum. Das wunderschöne alte Gebäude präsentiert ein Aquarium, Gesteine, ausgestopfte Tiere aus der Eiszeit, Kristalle und noch viele andere interessante Objekte. Wir hätten da viele Stunden verbringen können, doch leider mussten wir zurück zur Schule. Das Einsingen erfolgte problemlos, ebenso das Konzert. Diesmal war der Saal sogar noch mehr gefüllt. Mit voller Motivation und Konzentration gaben wir noch einmal unser Bestes in Wien.
Nach zahlreichen Gratulationen ging die ganze Gruppe zusammen mit den Lehrern in den Zwölf-Apostel-Keller in der Nähe des Stephansdoms. Wir sangen, tranken, aßen, lachten und genossen unseren letzten gemeinsamen Abend in Wien. Am nächsten Morgen war es Zeit Abschied zu nehmen. Es wurden noch ein paar letzte Fotos gemacht - dann mussten wir schon los. Es ging wieder nach Istanbul. Wir umarmten unsere Wiener Freunde ein letztes Mal.
Als wir auf dem Heimweg waren, fühlten wir etwas Trauer, etwas Melancholie, aber viel mehr Freude und Zufriedenheit. Wir hatten neue Freundschaften geschlossen. Für uns war dies eine ganz tolle Erfahrung und wir waren alle stolz darauf, bei diesem Projekt teilgenommen zu haben. Ein Abenteuer war vorbei. Doch das nächste sollte schon sehr bald folgen. Die Aufregung verging nicht, denn zwei Wochen später sollten unsere Wiener Freunde zu uns nach Istanbul kommen!
Ronya Özçelik - Lise 4A
Ich kann nicht sagen, dass die Ankunft unserer Freunde aus Wien ohne Schwierigkeiten gelungen ist. Eine Stunde mussten sie am Flughafen warten, weil der Koffer Fabians, des phantastischen Pianisten, verloren gegangen war.
Am nächsten Tag hatten wir ein sehr dichtes Programm. Wir mussten viel proben, um am Abend beim Konzert keine Fehler zu machen. Am Mittag hatten wir eine lange Pause. Wir haben die Chance genutzt und sind auf die Istiklal-Straße gegangen. Gemeinsam haben wir in einem sehr traditionellen Kebab-Restaurant gegessen. Ich hoffe, dass unseren Gastschülern hier klar wurde, dass es nicht nur ein Kebab, sondern viele Arten von Kebab gibt. Anschließend sind wir auf die Terrasse eines Cafés gegangen und haben uns in die Schönheit des Ausblicks und die Gerüche der verschiedenen Tees verloren.
Nach einigen Proben mit den Instrumentalisten und der Einstellung der Beleuchtung waren wir bereit zum Konzert. Langsam kamen die Gäste in die Schule und wir fühlten uns plötzlich ziemlich aufgeregt. Das Konzert war so schön, wie es überhaupt nur sein konnte. Am Ende des Konzerts haben wir zusammen mit den Gästen durch unseren Applaus, der sicher in ganz Karaköy gehört werden konnte, unseren Dank ausgedrückt. Frau Professor Labschütz, Frau Professor Dokalik und Herr Professor Mair haben sich diesen in der Tat verdient! Den Konzerttag haben wir mit einem kleinen Festessen in Ortaköy beendet.
Am Mittwoch hatten die türkischen Chormitglieder die Chance, ihren österreichischen Freunden einige Sehenswürdigkeiten Istanbuls wie zum Beispiel die Blaue Moschee und die Hagia Sophia zu zeigen. Nachdem wir in den bunten Restaurants Sultanahmets zu Mittag gegessen hatten, setzten wir das Kulturprogramm fort. Am Nachmittag haben wir eine interkontinentale Schiffsreise gemacht und haben in Kadiköy angelegt. In Kadiköy haben wir die leckersten Fische des Bosporus gekostet und viel Spaß gehabt. Erst gegen Mitternacht waren wir alle zu Hause - unsere österreichischen Gäste mussten ihre Koffer packen.
Am Donnerstag in der Früh waren wir alle hundemüde. Das aber war nur ein geringer Preis für die Freundschaften, die wir schließen konnten. Als wir uns verabschiedeten, machten wir schon Pläne für die Zukunft.
Und jedes Mal, wenn wir die T-Shirts tragen, die uns unsere österreichischen Freunde geschenkt haben, werden wir uns an das Wiedner Gymnasium erinnern.
Onur Keskin Lise 4A