Zum Gedenken: Sr. Responsa Bauer

Viele im heutigen St. Georg haben Sr. Responsa nur mehr von fern gekannt. Wenn man mit ihr gesprochen hat, spürte man schon, dass man es mit einer kultivierten alten Dame aus früheren Zeiten zu tun hatte, die z.B. nicht über korrekte Umgangsformen nachdenken musste, weil sie ganz einfach gar nicht anders sein konnte. Unser Ernest Raidl hat sie oft scherzhaft seine “Frau Gräfin” genannt und damit eine durchaus zutreffende Charakterisierung getroffen.

 

Sr. Responsa wurde 1907 in Samarkand in Turkestan geboren. Ihr Vater war aus Istanbul gebürtig, wohin der Großvater, ein österreichischer Ungar, gezogen war, der dann dort eine Italienerin heiratete. Im Haus des Großvaters ging es ganz polyglott zu, es wurde griechisch, türkisch, italienisch und deutsch gesprochen. Die Familie lebte in wirtschaftlich guten Verhältnissen, sodass der Onkel von Sr. Responsa um die Jahrhundertwende seiner älteren Schwester Angela Bauer, die damals Oberin der Barmherzigen Schwestern in Istanbul war, das Grundstück in Burgaz für ihre Gemeinschaft zum Geschenk machen konnte. Beide Brüder zogen dann von Istanbul nach Turkestan, um dort die Leitung einer großen Baumwollfirma zu übernehmen. Der Vater von Sr. Responsa heiratete in Sarmakand die Tochter des Direktors des dortigen Knabengymnasiums, eine Russin mit baltischen Wurzeln. Die Mutter starb allerdings schon zwei Jahre nach der Geburt der kleinen Vera. Der Vater heiratete nicht mehr, sodass ihre nächsten Verwandten die Familie ihres Onkels war. Als Muttersprache sah Sr. Responsa stets das Russische an, das sie auch mit ihrem Vater gewöhnlich sprach. Zur Grundschule wurde sie nach Moskau in eine deutschsprachige Schule gesandt, bis es dann der ausbrechende Weltkrieg erforderlich machte, dass sie durch eine Erzieherin aus Reval mehrere Jahre lang mit ihrer Cousine zu Hause in Turkestan unterrichtet wurde.

 

Vom Vater wurde sie schon 1917 getrennt, der nach einer Geschäftsreise nach Wladiwostok wegen der Revolutionswirren keinen Kontakt mehr mit der Familie aufnehmen konnte. Er reiste im Frühjahr 1920 per Schiff zu seiner Schwester Angela nach Istanbul, weil er hoffte, von daher wieder mit seiner Familie in Kontakt zu kommen, doch verstarb er schon nach wenigen Wochen infolge eines Herzversagens nach einem Sturz in den Bosporus. Er ist am katholischen Friedhof von Feriköy bestattet.

 

Die Lage in Russland wurde für die Familie Bauer immer komplizierter, sie galten als typische Vertreter der Bourgoisie und so wurde ihr gesamtes Eigentum konfisziert. Sr. Responsa hat manchmal lächelnd erzählt, daß sie sich damals ihre eigenen Bücher aus der Volksbibliothek wieder zum Lesen ausborgen konnten und die Möbel und Bilder als Requisiten im Theater bewundern konnten.

 

Die Lage wurde aber noch viel ernster und so entschloss sich der Onkel zur Flucht aus dem Land. Zuerst sollten die Mädchen hinausgebracht werden und die Erzieherin, eine Estin, adoptierte die kleine Vera pro forma, damit sie mit einer Gruppe heimkehrender Esten in mehrwöchiger Fahrt in einem Viehwaggon nach Reval gelangen konnte. Dort wartete sie auf ihren Onkel, der dann nach Freiburg im Breisgau übersiedelte, wo sie wieder die Realschule besuchen konnte und dann die Matura ablegte. Anschließend studierte Vera Jus an der Universität in Freiburg, wo sie 1930 ihr Studium mit dem Referendar-Examen abschloss. Auf Einladung ihrer Tante Angela fuhr sie noch im selben Jahr nach Istanbul. Sie hatte dabei die Hoffnung, am österreichischen Konsulat eine Referendarstelle zu erhalten; als dies aber nicht möglich war, lud ihre Tante, Sr. Angela, die als Oberin an der St. Georgsschule tätig war, sie ein, eine Klasse zu übernehmen.

 
So unterrichtete das “Fräulein Vera” Vorbereitungs- und Ortaklassen von 1930-1934 in Deutsch und Mathematik. In dieser Zeit entschloss sie sich zum Eintritt bei den Barmherzigen Schwestern, wo sie am 24. Dezember 1934 aufgenommen wurde. Da sie gut französisch sprach, wurde sie für das Noviziatsjahr nach Paris gesandt. Im Anschluss daran besuchte sie die Krankenpflegeschule in Graz. Dem schlossen sich viele Jahre als Lehrschwester an. Anfang der 50er Jahre wurde sie mit der Leitung der Grazer Krankenpflegeschule betraut und im Jahr 1962 schließlich zur Visitatorin der Grazer Schwesternprovinz ernannt. Dieses Amt übte sie 12 Jahre lang aus und arbeitete während dieser Zeit auch eng mit Ernest Raidl, der in Graz als Visitator und Schwesterndirektor wirkte, zusammen.

 

Da die damalige Leiterin der Mädchenschule, Sr. Hemma Göstl, im Jahre 1974 schon ernstzunehmende Krankheitszeichen verspürte, wurde sie gemeinsam mit der jungen Sr. Christa nach Istanbul gesandt. Sr. Christa sollte sich für die Leitung der Mädchenschule vorbereiten, während Sr. Responsa das Amt der Hausoberin übernahm. Im Jahre 1980 trat sie in den Ruhestand und war dann noch in vielfacher Weise in der Schule tätig...

 

Vor einigen Jahren hat Herr Wolfgang Wamlek mit ihr ein längeres Gespräch über ihr bewegtes Leben geführt, in das er auch einige sehr persönliche Fragen eingebaut hat. Er fragte damals: "Fürchten Sie sich vor dem Tod? Was für eine Vorstellung haben sie vom Paradies?" Sr. Responsa antwortete: "Vor dem Tod kann ich mich jetzt nicht fürchten. In meinem Alter muss ich mich jeden Tag bereit halten zu sterben. Ich hoffe und verlasse mich auf die Gnade vom Lieben Gott, dass er mir dann eben hilft. Ich war schon oft bei Sterbenden dabei und das nimmt einem die Furcht vor dem Sterben. Man sieht, wie doch die Menschen dann erlöst sind, wenn sie ihre Augen für immer schließen.

 

Vom Paradies habe ich gar keine Vorstellung; das kann man sich auch gar nicht vorstellen. Aber sicher wird dort eine Große Entspannung und Zufriedenheit sein, vor allem, wenn man Gott und den Heiland zum erstenmal wirklich sieht."

 

Eine große Entspannung und Zufriedenheit:

Es ist wunderschön, wen man das am Ende eines Lebens aussprechen kann - und wenn es stimmt.

 

Auszug aus der Begräbnisansprache von
Superior Kangler